Es kann zur Leistungssteigerung beitragen, seine negativen Selbstgespräche umzuformulieren (©Roscher)
19.05.2015 - „Mensch, wie blöd kann man eigentlich sein?“, „Das ist noch unter Kreisklasseniveau, was ich heute abliefere!“ oder „Komm, ich geh gleich unter die Dusche!“ - Selbstgespräche schallen häufig durch Deutschlands Tischtennishallen. Was man an anderer Stelle vielleicht als seltsam ansehen würde, kann im Sport allerdings tatsächlich als Schlüssel zu guter Leistung dienen. Wie man Selbstgespräche gewinnbringend einsetzt, erklärt uns Sportpsychologe Dr. Christian Zepp.
Viele Spieler denken während Trainingseinheiten und besonders während Wettkämpfen häufig negativ. Sie beschäftigen sich mit zuvor gemachten Fehlern, zweifeln an sich selbst und fluchen teils unhörbar, teils hörbar für Mit- und Gegenspieler, Trainer, Schiedsrichter und Fans. Da Selbstgespräche das Handeln und damit auch die sportliche Leistung beeinflussen und teilweise sogar kontrollieren, ist es für Spieler wichtig, Selbstgespräche positiv einzusetzen.
Die Macht negativer und positiver Selbstgespräche zeigt sich in verschiedenen Untersuchungen mit Amateur- und Profisportlern. Negative Selbstgespräche stehen stets in engem Zusammenhang mit schlechterer Leistung bis hin zum Verpassen der Qualifikation für Olympische Spiele bei Leistungssportlern. Im Gegensatz dazu wirken sich positive Selbstgespräche günstig auf die Leistung, das Erlernen von Techniken oder die Aufmerksamkeitslenkung im Wettkampf aus. Außerdem wurden bei Athleten, die positive Selbstgespräche einsetzen, eine Steigerung der Anstrengungsbereitschaft, eine höhere Konzentration auf eigene Stärken und hilfreiche Handlungsalternativen sowie eine Verbesserung der Stimmung festgestellt. Interessanterweise verwenden Hochleistungssportler Selbstgespräche deutlich effektiver als Breiten- und andere Leistungssportler. Während Breiten- und Leistungssportler Selbstgespräche eher handlungsbegleitend, zur Bewältigung von Frustration oder Stress verwenden, nutzen Hochleistungssportler Selbstgespräche zur Strukturierung und Kontrolle der Handlungsausführung und zur Problemlösung. Dabei sind sie überwiegend erfolgsorientiert in der Formulierung der Selbstgespräche.
In der Veränderung der eigenen Selbstgespräche sollten Spieler zwei Phasen durchlaufen. In einer ersten Phase besteht die Aufgabe für den Spieler darin, herauszufinden, in welcher Situation er schlechte Leistungen bringt, und sich die hier vorhandenen negativen und damit leistungshemmenden Gedanken und Selbstgespräche bewusst zu machen. Hier ist es besonders hilfreich, diese genauso detailliert aufzuschreiben, wie sie in der Situation vorhanden sind. In der zweiten Phase werden nun die ursprünglich leistungshemmenden in leistungsfördernde Gedanken umformuliert (s. Tabelle 1).
Tabelle 1. Beispiele für die Veränderung von Selbstgesprächen
Negatives Selbstgespräch |
Positives Selbstgespräch |
„ Ich bin viel zu schlecht.“ |
„Ich habe hart trainiert und werde heute der Beste sein, der ich aktuell sein kann!“ |
„Ich komme mit dem gegnerischen Topspin nicht zurecht.“ |
„Ich kontere den nächsten Topspin mit einem Spinblock.“ |
„Ich kann nicht mehr.“ |
„Volle Konzentration auf den nächsten Aufschlag.“ |
„Ich kann den Aufschlag sowieso nicht abwehren.“ |
„Es wird sich eine Gelegenheit bieten, einen guten Rückschlag zu spielen.“ |
Die negativen Selbstgespräche können auf vier verschiedene Weisen leistungsfördernd umformuliert werden:
1) Selbstmotivierung: Hierbei ist das Ziel, ungenutzte Energiereserven freizusetzen, sich eigene positive Fähigkeiten vor Auge zu führen und vielleicht sogar unabhängig von einer Unterstützung oder Bekräftigung von außen zu werden (z.B. „Ich kann das!“).
2) Rationalisierung: Die Spieler schwächen für sich selbst die Bedeutsamkeit eines Spiels in Gedanken ab. Das Ziel ist, die aktuelle Situation in eine enge Beziehung zu anderen Erlebnissen (z.B. aus Sport, Privatleben, Arbeit) zu setzen, und dadurch im Spiel gegen den aktuellen Gegner z.B. weniger Druck zu spüren (z.B. „Bei meinem Chef halte ich noch viel mehr aus als hier in diesem Spiel.“).
3) Aufmerksamkeitsveränderung: Bei dieser Variante werden die Gedanken gezielt auf eine bestimmte Sache oder Empfindung gelenkt, um sich von etwas Unerwünschtem abzulenken (z.B. „Konzentrier Dich auf Deine Neutralposition!“).
4) Problemlösung: Hierbei beschäftigt sich der Spieler mit verschiedenen Lösungsvarianten, die ihm dabei helfen, sich ausschließlich auf die Lösung zu konzentrieren (z.B. „Schultern lockerer, damit ich schneller reagieren kann!“).
Diese individuell umformulierten und vor allen Dingen positiven Selbstgespräche sollten ab sofort die negativen Gedanken ersetzen. Damit dies auch im Wettkampf gelingt, sollten die positiven Gedanken aktiv und systematisch im Training in verschiedenen Situationen geübt und trainiert werden. Es gibt keine Standardsätze, die alle Spieler für sich verwenden können. Vielmehr sind Selbstgespräche individuell und müssen zum Spieler passen. So berichtete z.B. ein Tischtennisspieler, dass er während eines Matches besonders häufig Selbstgespräche zur Rationalisierung einsetze und sich vor einem Aufschlag sagte: „Hauptsache, das Spiel macht mir Spaß.“ Einem anderen Spieler half die rationale Betrachtung des Spiels nicht weiter, und er setzte besonders häufig auf selbstmotivierende Selbstgespräche: „Den nächsten leg ich dem Gegner auch noch rein.“
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die Selbstgespräche während des Wettkampfs oder Trainings Einfluss auf die Leistung des Spielers hat. Spiegeln sich negative Selbstgespräche häufig in schlechter Leistung wider, führen positive Selbstgespräche zu mehr Selbstvertrauen und einer besseren Leistung. Über die Bewusstmachung negativer Selbstgespräche und die sich daran anschließende positive Umformulierung der Selbstgespräche können Spieler ihre Gedanken während eines Spiels besser zur Leistungserbringung nutzen. Selbstgespräche können während eines Spiels u.a. zur Selbstmotivierung, Rationalisierung, Aufmerksamkeitsveränderung oder Problemlösung eingesetzt werden. Ziel für jeden Spieler sollte es sein, den negativen Selbstgesprächen – und damit dem inneren Zweifler – positive Selbstgespräche gegenüberzustellen.
(Dr. Christian Zepp)
Zum Autor: Dr. Christian Zepp ist ausgebildeter Diplom-Sportwissenschaftler, Sportpsychologe sowie systemischer Coach und Change Manager. Als Nationaltrainer im Behindertenvolleyball von Kambodscha gewann er die Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften 2007. Im Anschluss betreute er Formel 1- und Rallyefahrer trainingswissenschaftlich und hat am Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln promoviert. Er arbeitet dort seit 2009 als Dozent und Wissenschaftler u.a. mit den Schwerpunkten sportpsychologische Diagnostik und Individual- und Gruppenbetreuung. Darüber hinaus betreut er als selbständiger Sportpsychologe auf nationaler und internationaler Ebene Athleten, Mannschaften, Trainer und Verbände vom Nachwuchs- bis zum Spitzensport.
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